Zeuthen, Februar 2021: Spaziergänger und Jogger wunderten sich. Was passiert denn da im Naturschutzgebiet „Höllengrund-Pulverberg“? Zig Bäume wurden gefällt –
Zitter-Pappeln, Wald-Kiefern und nichtheimische Spätblühende Traubenkirschen – Äste zusammengetragen und mühsam zu Hecken aufgeschichtet. Der Einsatz soll den Zielen dienen, die mit der
Festlegung des 26 Jahre alten Naturschutzgebietes einst verbunden waren und es immer noch sind.
Warum solch ein „Kahlschlag“?
„Ich denke zurück an meine Kindheit. Vor 20 Jahren bin ich hier jeden Winter den offenen, sandigen Pulverberg runtergerodelt. Im Wege standen nur wenige große,
alte Bäume. Im Grunde konnte ich einfach durchrauschen.“ – erinnert sich Juliane Bauer vom NABU Dahmeland. Mittlerweile sind viele offene und damit wertvolle Biotope zugewachsen. Die verbliebenen
Wiesenflächen drohten zu verschwinden. Das ist ein natürlicher Prozess, die natürliche „Sukzession“. Allerdings vereinheitlicht sich damit nicht nur das Bild. Ein Verlust für’s Auge und die
eigene Erholung. Fast unbemerkt verschwinden aber auch viele seltene und gefährdete Arten, die auf sonnige und nährstoffarme Standorte angewiesen sind. Eine solche Flora und Fauna hat in der
industriellen Agrarlandschaft kaum noch Platz, wird von Monokulturen sowie dem Einsatz von Dünger und Bioziden verdrängt. Hier im siedlungsnahen Naturschutzgebiet finden sich in Relikten noch
Trockenrasen-Arten mit schönen Namen, wie Heidekraut, Sand-Thymian, Wiesen-Witwenblume, Grasnelke, Flockenblume, Feld-Beifuß und Rentierflechte. Deren Erhaltung und Förderung diente die Aktion!
Auch Vögel der halboffenen Kulturlandschaft wie Neuntöter, Gold- und Grauammer profitieren davon. Tagfalter wie Bläulinge und Heuschrecken wie die vom Aussterben bedrohte Italienische
Schönschrecke finden hier einen Lebensraum.
Das Ziel heißt Biotop- und Artenschutz durch Nutzung.
Artenreiche Lebensräume können nur durch regelmäßige, extensive Pflege oder Nutzung erhalten und gefördert werden. Und nur wo auch mal kurzzeitig Chaos
herrschen darf, kann Neues entstehen.
Warum der Aufwand gegen natürliche Prozesse?
Wald hat unbestritten sehr wichtige Funktionen, insbesondere für unser Klima und die menschliche Erholung. Er ist auch ein Element der Artenvielfalt. Die höchste Artenvielfalt ist in unserer
Geschichte allerdings nachweislich durch eine extensive Nutzung von Landschaften und durch das Nebeneinander von Feldern, Wiesen, Säumen mit Feldgehölzen, Steinhaufen und naturnahen Wäldern
entstanden. Ein bis zwei Mal im Jahr wurden Wiesen gemäht und Heu für das Vieh geerntet. Noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Vieh in den Wald getrieben, zum Mästen. Grünländer wurden
mit nur wenigen Tieren auf großen Flächen beweidet, Laub- und Nadelstreu aus den Wäldern geholt – und somit immer wieder Nährstoffe entzogen und letztlich ideale Lebensräume für etliche
spezialisierte Tier- und Pflanzenarten geschaffen. Es entstanden nährstoffarme aber artenreiche, blühende Weiden und Wiesen, fließende Übergänge zwischen Wald und Offenland, offene Bodenstellen,
etliche Standorte mit viel Licht. Und wo Licht ist, da ist auch Leben – eben eine halboffene, mosaikartige, strukturreiche KULTUR-Landschaft, die der Landbevölkerung schlichtweg das Überleben
sicherte. Es gab keine Monotonie, immer wieder jedoch „Störungen“. Es ist völlig klar, dass wir diese Prozesse nicht wieder umkehren können. Wir leben mittlerweile einen ganz anderen Stil. Aber
wir können verbliebene Reste erhalten und sie an bestimmten Stellen wiederbeleben und „imitieren“. Fast verschollene Tier- und Pflanzenarten können so gerettet werden. Ein Schatz den wir sonst
unwiederbringlich verlieren würden! Denn nicht zuletzt macht biologische Vielfalt glücklich(1) und zufrieden – Ist es nicht das, wonach wir alle streben?
Was genau ist passiert und wie geht’s weiter?
Über mehrere Arbeitseinsätze wurden junge Bäume an ehemals offenen Standorten auf zwei Flächen gefällt, vor allem an den Trockenhängen in der Nähe des
Pulverbergs (südöstlich vom Morellenweg) und am Höllengrund. Dies war keine „Spontan-Aktion“, sondern reifte schon seit mindestens anderthalb Jahren in verschiedenen Köpfen. Ideengeber und Aktive
waren der NABU Dahmeland und Gemeindevertreter aus dem Ort. Die Maßnahmen wurden mit der Gemeinde Zeuthen, der Landesforstverwaltung (Revierförsterei Wüstemark) und der Naturschutzbehörde des
Landkreises Dahme Spreewald abgestimmt. Letztere finanzierte auch die groben Fällarbeiten. Freiwillige Helfer übernahmen das Aufräumen. Rund 30 Engagierte – NABU-Mitglieder und Anwohner – haben
bei den Einsätzen geholfen. Die NABU Ortsgruppe „Wüstemark“ ist somit wiederbelebt! Die Bäume wurden samt Kronen und abgebrochenen Ästen von den Biotopflächen beräumt und in Randbereichen zu
Totholzhaufen und -wällen aufgeschichtet. Die ersten Nischenbrüter wie der Zaunkönig und weitere strukturgebundene Arten wie Wildbienen konnten sich dort bereits einnisten. Die floristisch
wertvollen Stellen, v.a. am Trockenhang wurden sogar behutsam freigeharkt, damit die Blühpflanzen wie das Heidekraut wieder mehr und besser zur Geltung kommen – dort hatten sich Moose schon sehr
breit gemacht und die eigentlich typischen Arten der Trockenrasen zurückgedrängt.
Auf der Naturerbe-Fläche am Höllengrund (nördlich vom Morellenweg) wurden vor allem Pappeln gefällt. Dornsträucher, Insektennährgehölze und solitäre Bäume wurden bewusst geschont. Dort liegen
noch Äste auf der Fläche, die spätestens im Herbst nach der Brutzeit beräumt werden sollen.
Perspektivisch sollen die zurückgewonnenen Biotope mit Schafen und Ziegen beweidet werden.
In der Gemeinde fand sich bereits eine interessierte Schäferin, die bisher ihre 12 Schafe auf den Wiesen in der Nähe vom Zeuthener Winkel hält. Zwischenzeitlich
werden die Flächen durch manuelle Mahd und Gehölzentfernungen weiter offengehalten. Voraussichtlich im Herbst werden verbliebene nichtheimische Traubenkirschen samt Wurzeln gerodet, damit sie
sich nicht weiter in die Biotope ausbreiten und mit unseren seltenen Trockenrasen-Arten in Konkurrenz treten.
Wir laden Sie ein, die geschützten Biotope, Entwicklungen und neu entstehende Artenvielfalt achtsam zu entdecken.
Wir bitten jedoch ausdrücklich die geschützten Biotope nicht zum Hundeauslauf, gar für die Hundetoilette oder als
Liegewiese zu nutzen. Respektieren Sie die Heckenbegrenzungen.
Sie wollen auch Ihren Handabdruck für die biologische Vielfalt vergrößern? Kontaktieren Sie uns gern über nabu.dahmeland@gmx.de
Weitere Projekte der NABU Ortsgruppe: Pflege der feuchten Biotope und Kleingewässer im Flächennaturdenkmal Kienpfuhl; Krötenschutz im NSG „Flutgrabenaue Waltersdorf“)
(Webseite: www.nabu-dahmeland.de wird noch
aktualisiert; für aktuelle Termine und Infos siehe auch Facebook: NABU Dahmeland e.V.)
Verfasser:
Juliane Bauer & Jens Burgschweiger
Februar 2021
Februar 2021